Die wohl coolste WG Berlins: So wohnt AD100-Designer Joern Scheipers in seiner Altbauwohnung in Berlin

Für #thirtysomething haben wir Joern Scheipers von Designstudio Vaust in seiner Altbauwohnung in Berlin-Neukölln besucht
Coole Renovierung So wohnt AD100Designer Joern Scheipers in seiner Altbauwohnung in Berlin
Pion Studio

#thirtysomething: Zu Hause bei Joern Scheipers von Vaust Studio in seiner Altbauwohnung in Berlin-Neukölln.

Es ist vielleicht die am besten gestaltete WG in ganz Berlin – denn ein durchdachtes Interiorkonzept, ausgewählte Designpieces, Vintagestücke und Kunstwerke findet man in den meisten Wohngemeinschaften wohl eher selten. Da kann man von purem Glück sprechen, wenn man einen AD100-Designer seinen Mitbewohner nennen darf. Wir haben Joern Scheipers, der mit seinem guten Freund David Kosock das Designstudio Vaust in Berlin führt, in seiner Altbauwohnung in Berlin-Neukölln besucht. Vaust ist bekannt für seine zeitgenössischen und skulpturalen Designs und Interiors, und genauso stringent und cool ist auch die Einrichtung von Scheipers Wohnung, die er mit seinem Mitbewohner Elias und Dackel und Dauerbegleiter Quintus teilt. AD hat ihn für #thirtysomething besucht und mit ihm über die Renovierung, das Leben in einer Wohngemeinschaft und warum kalte Materialien nicht zwangsläufig ungemütliche sein müssen, gesprochen.

Joern Scheipers in seiner Altbauwohnung in Berlin-Neukölln.

Pion Studio

#thirtysomething: Zu Besuch bei Joern Scheipers von Vaust Studio in seiner Altbauwohnung in Berlin-Neukölln

AD: Joern, du wohnst in einer WG – erzähl uns mehr dazu.

Joern Scheipers: Ich bin in diese Wohnung tatsächlich schon vor 13 Jahren gezogen – als es mich für mein Architekturstudium nach Berlin zog.

Das ist also noch deine erste eigene Wohnung in Berlin?

Ja, genau.

Damals war der Berliner Wohnungsmarkt sicher noch entspannter, wie hast du die Wohnung gefunden?

Ich bin über einige Ecken an die Wohnung gekommen, und als ich sie damals besichtigt habe, wollte ich hier erst gar nicht so gerne einziehen. Ich hätte zwei Wohnungen in diesem Haus beziehen können, und dann habe ich ein bisschen widerwillig dieser zugesagt.

Was hat dich so gestört? Wie sah die Wohnung ursprünglich aus?

Die Wohnung war sehr heruntergerockt. Die Decke war abgehangen, es war überall Raufaser an den Wänden, und teilweise entdeckte man tatsächlich noch Graffitis.

So in etwa wie die Eingangstür also?

Richtig, das trifft es ganz gut. Aber ich wollte auch erst gar nicht nach Neukölln ziehen – damals hat sich noch nicht so richtig abzeichnen können, was aus dem Kiez wird. Für mich war es hier ab vom Schuss, und meine Freunde haben auch alle woanders gewohnt. Aber dann hat sich alles gefügt, und die Wohnung wurde mehr und mehr zu einem Lucky Shot. Mittlerweile mag ich die Wohnung sehr.

Was genau magst du an der Wohnung?

Ich mag den Schnitt, ich mag den Altbau …

Muss es für dich immer ein Altbau sein?

Jein. Ich glaube, wenn ich heute etwas Neues suchen müsste, würde ich in einen Neubau ziehen. Für mich ist der Altbau mittlerweile auserzählt. Aber ich mag den Charme dieser Wohnung. Ich bin mir aber auch bewusst, dass ich nie wieder in einen Altbau in einem solch unrenovierten Zustand ziehen werde. Ich glaube nämlich, dass es gar nicht mehr so viel davon gibt.

Das Wohn- und Esszimmer ist der Gemeinschaftsraum der WG. Der Esstisch ist ein Eigenentwurf von Joern Scheipers, der Hocker „Sophie“ stammt von Loes Beta GmbH, und der „Panton Chair“ ist von Vitra. Rechts an der Wand sind Blumen auf dem Sockel der Vaust-Serie „Total Exposure“ platziert, darüber hängt die Arbeit „Still Life 01“ von Alarah Gee. Sofa und Couchtisch sind Vintage.

Pion Studio / Kunst: Alarah Gee

So ging Joern Scheipers bei der Renovierung seiner Altbauwohnung vor

Wie hat sich die Wohnung seit deinem Einzug verändert?

Es sah sehr rudimentär aus. Ich glaube, ich hatte zwei Jahre keine Vorhänge, habe auf einem Bett aus Paletten geschlafen – es war einfach eine richtige Studentenbude, und diesen Vibe hatte die Wohnung auch echt lange.

Wie lange?

Bis vor zwei Jahren ungefähr. Aber dann hatte ich ein sehr augenöffnendes Gespräch mit einer Besucherin der AD-Ausstellung „New Perspectives“ 2022 in Berlin, wo wir damals einen Stand hatten. Ich habe ihr unsere Installation erklärt, bei der wir sehr viel Aluminium und Stein einsetzten, und sie fragte mich, ob ich selber auch so wohnen würde, und dann fühlte ich mich irgendwie ertappt und dachte, das muss ich ändern. Dann habe ich mit meinem Mitbewohner gesprochen, was er davon halten würde, wenn wir die Wohnung einfach komplett renovieren. Er fand die Idee super, und er hat mir auch die komplette gestalterische Oberhand gelassen. Er meinte nur zu Beginn: „Die Küche klingt schon irgendwie ungemütlich.“ (lacht)

Hast du dann alles selbst umgesetzt?

Ich habe alles geplant, und bei der Umsetzung haben mir mein Mitbewohner, Freunde und vor allen Dingen mein Vater geholfen. Er ist sehr handwerklich begabt, und das war auch ein toller Moment der Verbindung für uns beide als Vater und Sohn.

Du gestaltest mit deinem Studio Vaust auch die unterschiedlichsten Spaces, geht man bei der eigenen Wohnung dann ähnlich vor?

Ich habe mir genauso Ablaufpläne und Moodboards erstellt, und ich will es gar nicht unbedingt Konzept nennen …

Hast du dem Projekt einen Namen gegeben?

Nein, das eben nicht, das machen wir aber beruflich schon. Wir haben immer ein bestimmtes Gestaltungsdogma in Form eines Narrativs. Das heißt, wir setzen uns mit unseren Kund:innen auseinander und tasten ab, in welche Richtung es gehen könnte, was gefällt, was nicht gefällt, was passieren muss, was auf gar keinen Fall passieren darf, und anhand all dieser Informationen und mit einer gewissen Vision erstellen wir ein Narrativ. Zu Beginn steht dann oft eine visuelle Geschichte unter einem gewissen Thema, die wir als Ausgangspunkt für unsere gestalterischen Entscheidungen nutzen. So weit bin ich in dieser Wohnung nicht gegangen. Das Tolle am Gestaltungsprozess der Wohnung war ja, dass ich keinen anderen außer mir und meinem Mitbewohner überzeugen musste.

Wie lange hat alles gedauert?

Circa zehn Tage.

Das ging aber sehr schnell – vermutlich eine der schnellsten Renovierungen bei AD …

Wir haben hier aber auch ungefähr 16 Stunden am Tag gearbeitet, es war alles sehr gut durchgetaktet.

Was habt ihr alles verändert?

Zunächst haben wir die Türen und Fenster lackiert sowie die Böden abgezogen und ebenfalls lackiert. Fehlende Möbel haben wir alle vorher bestellt, und dann wurde alles relativ zeitnah geliefert. Die Küche davor war schrecklich – es hingen Shabby-Chic-Schränke an den Wänden, und alles war zusammengewürfelt. Die haben wir dann komplett herausgerissen, das Einzige, was blieb, war der Herd. Dann habe ich mich für eine Küche aus dem Gastro-Bereich entschieden. Das sind Fertigelemente, die es in sehr vielen Varianten gibt.

Für die Küche bediente sich Joern in der Gastronomie.

Pion Studio

Du wohnst dann also schon seit 13 Jahre in einer WG, was gefällt dir so sehr daran?

Ich habe eigentlich immer mit tollen Freunden zusammengelebt. Meist fühlte es sich dann gar nicht mehr nach einer WG an, weil man sich so gut ergänzt. Deshalb habe ich auch einfach einen so guten Vibe mit der Wohnung. Es gibt ja auch so viele Leute, die umziehen, weil sie in unangenehmen Situationen leben, das hatte ich nie. Natürlich ist miteinander zu wohnen etwas sehr Intimes, und es gibt natürlich auch mal Reibereien, aber mittlerweile sind wir auch in einem Alter, wo man offener und respektvoller kommuniziert. Und bisher sind auch alle sehr respektvoll mit meinen Objekten und Möbeln umgegangen, und das ist auch total wichtig.

Deshalb wirken Materialien wie Aluminium und Stein nicht zwingend ungemütlich

Zurück zur Gestaltung. Du hast sehr viele kalte Materialien und Farben verwendet – wie schaffst du es dennoch, dass es nicht ungemütlich wirkt?

Ich bin der Meinung, dass es ein Trugschluss ist, dass metallische Oberflächen immer kalt wirken. Was die Haptik betrifft, natürlich schon, aber am Ende des Tages reflektieren sie auch immer die Umgebung. Wenn die Sonne etwa ins Wohnzimmer scheint, wirkt es gleich viel wärmer. Auch die offenen Wände im Flur transportieren eine gewisse Wärme. Da haben wir mit der Grundstruktur des Hauses Glück.

Farbe findet man hier nicht.

Nein, für mich ist die Struktur der Materialien wichtiger. Die Frage, die wir mit Vaust häufig gestellt bekommen ist: „Gibt es das auch in Farbe?“ Und die Antwort ist nicht Nein, weil wir natürlich keine neutralen Räume gestalten, aber die Farbe kommt eher durch das Material, durch die Reflexion, und die Materialität bringt auch immer eine Farbigkeit mit sich, und das präsentiert dann später das Farbspektrum.

Aber das ist ja meist nur bei sich spiegelnden Materialien der Fall …

Wenn man einen Putz verwendet, dann ist das ein sehr rohes, natürliches Material, das in seiner Grundbeschaffenheit eine Farbigkeit mit sich bringt, und die wäre für uns dann das Finish, für andere Personen ist das wie eine Art Canvas, der dann noch mal gestrichen wird, und das machen wir bei Vaust eigentlich eher selten, weil die Materialien per se schon so eine schöne Struktur mit sich bringen. Aber alles muss einem Gesamtkonzept entsprechen, es muss eine Ästhetik bedienen. Dieses sehr Natürliche gepaart mit kontrastierenden Mitteln entspricht der Ästhetik von unserem Studio, und das ist es auch, was hier in der Wohnung passiert ist.

Deshalb wirkt auch alles sehr stringent, ist das das Rezept für ein stimmiges Gesamtkonzept?

Ja, aber ohne zu wissen, was der genaue Fahrplan ist, es ist mittlerweile auch etwas, was intuitiv passiert. Ich habe aus der Wohnung kein richtiges Projekt gemacht, natürlich schon mehr als der Ottonormalverbraucher, aber das ist vermutlich auch eine Art Berufskrankheit. Eher intuitiv zu handeln ist vielleicht eine Finesse, die ich mir über die Jahre angeeignet habe. Ich kann das manchmal gar nicht erklären, aber ich weiß, dass ich mich auf meine gestalterische Intuition einfach verlassen kann. Aber die Wohnung ist ja auch gewachsen. Dadurch, dass ich seit 13 Jahren hier wohne, waren es dann die Schritte in letzter Instanz, die dann zu einem Bild geführt haben. Aber jetzt bin ich total zufrieden mit dem Status quo.

Hast du mit der Renovierung auch viele Möbel neu gekauft?

Die Stühle im Esszimmer sind dazugekommen, die Sofas sind gebraucht, und auch Teile der Kunst habe ich neu angeschafft oder selbst gestaltet. Viele Objekte stammen auch von Vaust. Der Esstisch und das Bett sind Eigenentwürfe.

Suchst du ganz gezielt nach Möbeln?

Ja, manchmal sind es einfach Pieces, die passen. Den Loungechair von Cassina etwa habe ich lange gesucht und alles an Vintages-Stores durchforstet, um ihn zu finden. Ich habe natürlich durch meinen Beruf einen guten Überblick, was es so gibt.

Warum ein neuer Anstrich helfen kann, die Wohnung ordentlich zu halten

Veränderst du spontan auch immer mal was an deiner Wohnung?

Veränderung ist irgendwie immer da. Ich streiche auch öfters noch mal die Räume. Das Tolle, wenn man Räume neu streicht, ist, dass man alles noch mal anfassen muss, das ist wie Umziehen, und man kann Dinge auch endlich mal entsorgen. Ich besitze daher wenige Sachen, setze aber dann darauf den Fokus. Ich hasse Krempel!

Was würdest du gerne noch anders machen?

Ich durfte den Parkettboden in meinem Schlafzimmer nicht weiß streichen. Das hätte den Raum noch mal eine Nummer runder gemacht. Außerdem hasse ich die herunterhängende Glühbirne im Wohnzimmer, die ist mir auch ein bisschen peinlich.

Zuletzt: Wo würdest du hinziehen, wenn du umziehen müsstest?

Ich würde nach Schöneberg ziehen. Dort haben wir jetzt auch unser Studio, und ich finde es dort ein wenig erwachsener. Aber in Neukölln habe ich viele Freunde. Ich mag den Zeitgeist hier, ich gehe unglaublich gerne essen, und es gibt ganz tolle Restaurants. Ich fühle mich wirklich zu Hause.

Joern Scheipers neben einer Arbeit von David Kosock. Auf dem Sofa: Dackel Quintus.

Pion Studio / Kunst: Tobias Faisst

Das Kunstwerk sowie der runde Tisch sind Arbeiten von Joern selbst. Der Hocker „Sophie“ stammt von Loes Beta GmbH, und der „Panton Chair“ ist von Vitra.

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Prototyp „Toy“ von Vaust.

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Auf dem Couchtisch vom Flohmarkt platzierte Joern einen Prototypen der Serie „Toy“ von Vaust.

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„Pendant“ von Vaust. Eine Skulptur, die das Designstudio auch bei der AD-Ausstellung „New Perspectives“ zeigte.

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Den „Fiandra“-Armchair von Cassina hatte er schon seit Ewigkeiten auf seiner Wunschliste und suchte lange danach.

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„Ich liebe das Bett“, schwärmt Joern, das er selbst entwarf und baute. Auf dem Sockel platzierte er die Skulptur „Toy BP II“ von Vaust, über dem Bett hängt die Arbeit „Deconstruction Study“ von Jonathan Niclaus.

Pion Studio / Kunst: Jonathan Niclaus

Dackel Quintus im Bett.

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Schicke Hülle: Die Heizung verkleidete Scheipers mit Aluminium. Der Leuchter „Herbert’s Mom“ stammt von Reidar Mester.

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Stein auf Stein – dass Joern Scheipers Steine liebt, erkennt man auch in den Details.

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Die Fotografien im Flur stammen von Tobias Faisst.

Pion Studio / Kunst: Tobias Faisst

Die weißen Wände werden in den Küchenfronten gespiegelt und lassen den Raum noch heller und luftiger wirken.

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Alles aus einem Guss – auch der Wassersprudler und die Regale.

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Der Esstisch ist ein Eigenentwurf von Joern, der Hocker „Sophie“ stammt von Loes Beta GmbH.

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Das, was so aussieht wie eine Maske, die man beim Fechten trägt, ist in Wahrheit eine Leuchte vom Flohmarkt.

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Die alte Holztür kontrastiert das Innenleben der Wohnung mit freigelegten Wänden und weiß lackierten Böden.

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Das Treppenhaus des Altbaus in Berlin-Neukölln.

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