Kinderfrei glücklich – immer mehr Frauen entscheiden sich für ein Leben ohne Kinder
“Du bist doch keine richtige Frau, wenn du keine Kinder möchtest.” – “Wie kannst du so egoistisch sein, dich nicht um Kinder kümmern zu wollen?” – “Bist du eine dieser Karriere-Frauen, oder was?“ – “Du wirst diese Entscheidung noch bereuen.”
Diese und ähnliche Kommentare kennen viele Frauen, die sich gegen Nachwuchs entscheiden. Mann, Haus, zwei Kinder. Was für manche Menschen die Traumvorstellung und das Lebensideal ist, ist für andere nicht erstrebenswert, für mache sogar ein Albtraum. Jede Person und ihre Bedürfnisse sind unterschiedlich. Das bezieht sich auch auf die Familien- und Zukunftsplanung. Die Möglichkeit, frei wählen zu können, wie das eigene Leben aussehen soll, ist ein großes und hart erkämpftes Privileg für alle Frauen.
Immer mehr Frauen entscheiden sich ganz bewusst gegen Mutterschaft. Jede Vierte bis Fünfte bleibt in Deutschland kinderfrei. In Österreich oder auch Finnland steigt die Zahl der bewusst kinderfreien Frauen ständig, und auch eine aktuelle US-amerikanische Studie zeigt: Mutterschaft ist für viele Frauen nicht mehr so attraktiv, wie es mal war. 1495 kinderfreie Frauen und Männer zwischen 18 und 34 Jahren wurden für die Studie befragt. Das Bild zeigt klar: Mehr Männer sehnen sich nach Vaterschaft als Mütter sich nach Mutterschaft. Die Anzahl der Männer, die sich Kinder wünschen oder Vaterschaft in Erwägung ziehen, ist signifikant größer als die der Frauen. Mehr zu dieser Studie erfährst du hier:
Woran liegt das? Eine Umfrage in Deutschland zeigt, warum Frauen sich gegen Kinder entscheiden: Für 31 % sind die hohen Kosten und finanzielle Belastung abschreckend. 28 % gaben an, ein großes Bedürfnis zu haben, ihre eigenen Wünsche und Träume zu verwirklichen, weitere 28 % haben einfach kein Bedürfnis, Kinder zu bekommen. Das spiegelt auch eine Umfrage der Dualen Hochschule Gera-Eisenach. Dort wurden zusätzlich die Freiheit von der Verantwortung für die Kindererziehung sowie mehr Freizeit als Top-Gründe genannt. Männer spielen in der Entscheidung der Frauen kaum bis gar keine Rolle.
Das Projekt “We are Childfree” zeigt Leben von Frauen ohne Kinder
Die Gründe für Kinderlosigkeit sollten eigentlich egal sein, und doch können sie viele Menschen innerhalb der Gesellschaft nicht nachvollziehen. Diese Frauen sind gesellschaftlich kaum sichtbar. Wie sieht das Leben kinderfrei aus? Was machen sie mit ihrer Zeit? Wie füllen sie die Jahre, die andere Frauen mit Windelwechseln, Familienzeit und Hausaufgaben verbringen? Genau das wollte Zoe Noble mit ihrem Projekt “We are Childfree” aufzeigen.
Bewusst wird das Wort Childfree verwendet – denn Childless würde vermitteln, dass diesen Frauen etwas fehlt. Und das tut es nicht. Woran es in der Gesellschaft allerdings fehlt, sind kinderfreie Vorbilder, die aufzeigen, wie erfüllt ihr Leben ohne Nachwuchs sein kann, und ihre Geschichten erzählen. Zoe Noble startete dafür eine intime Porträtserie in ihrer Berliner Wohnung. Sie rief Frauen ohne Kinder auf, sich zu melden, um ihre Geschichte zu erzählen, und bekam innerhalb weniger Tage Nachrichten von mehr als 40 Frauen aus Berlin.
Durch die englische Sprache der Porträts erreichte sie mit ihrer Arbeit Frauen aus der ganzen Welt und in jeder Altersgruppe und wurde sogar für die New York Times interviewt. Inzwischen gibt es einen Podcast, einen Instagram-Kanal mit mehr als 50.000 Follower:innen, Workshops und einen Newsletter. Dass das Projekt so groß wird, hätte die Gründerin nicht gedacht.
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Aber wieso ist es so eine Besonderheit, dass Frauen von ihrem kinderfreien Leben erzählen? “Wir leben in einer patriarchalen Gesellschaft, die die Entscheidungen von Frauen kontrollieren und unsere Freiheiten einschränken will. Deshalb scheint es für viele Menschen, auch für manche Frauen, eine Neuigkeit zu sein, dass wir selbst entscheiden können, was wir mit unserem Leben und unserem Körper machen wollen. Unser ganzes Leben lang wurden wir mit der Propaganda gefüttert, dass Frausein gleichbedeutend mit Mutterschaft ist und dass dies unser einziger Weg zu Glück und Erfüllung ist.” Genau damit möchte sie brechen und weist darauf hin, dass Frauen ohne Kinder überall sind.
Nicht nur heute, sondern schon immer. Sie waren nur lange Zeit in der Geschichte und Gesellschaft unsichtbar, was dazu führte, dass sich viele Frauen ohne Kinderwunsch allein fühlten und das Gefühl hatten, es wäre etwas falsch mit ihnen. Doch die Hälfte der Frauen unter 30 hat aktuell keine Kinder und 50 % von diesen wird nie eine Mutter sein. Frauen ohne Kinderwunsch bekennen sich mehr und mehr zu ihren Wünschen.
Wieso wollen Frauen keine Kinder?
Eine einheitliche Antwort auf die Frage, wie sich das Leben von Paaren oder Frauen ohne Kinder gestaltet, gibt es nicht. Zoe erzählte bereits die Geschichte von Hunderten Frauen und ist fasziniert davon, wie unterschiedlich sich deren Beweggründe und Leben gestalten: “Jede von uns hat ihre eigenen Erfahrungen und Perspektiven, ihre eigene Geschichte zu erzählen. Viele von uns haben einfach keinen Kinderwunsch, einige von uns haben es schon immer gewusst, und viele andere haben einen komplizierteren Weg hinter sich, um ein Leben ohne Kinder anzunehmen.”
Und während sich laut der US-amerikanischen Studie wie oben beschrieben heute mehr Männer als Frauen Kinder wünschen, so ist deren Identität nicht so direkt an Vaterschaft geknüpft. Kein Vater zu sein, verändert nicht ihren Wert der Gesellschaft. Das ist in Bezug auf das Frauenbild häufig anders. “Ich will keine Kinder”, ist für einige Teile der Gesellschaft einer der schlimmsten Sätze, die eine Frau sagen kann. Zoe Noble führt weiter aus: “Diese Menschen sind der Meinung, dass wir unsere Pflicht gegenüber der Gesellschaft, unserem Land und der Menschheit nicht erfüllen – und deshalb werden wir als egoistisch, unnatürlich und abnormal dargestellt. Es ist diese Freiheit, die sie nicht ertragen können – eine Frau, die nicht kontrolliert werden kann, wird als eine Frau außer Kontrolle betrachtet.”
Kinderfrei und glücklich: Wieso ist das so schwer zu begreifen?
Vielen Menschen fällt es schwer zu begreifen, dass diesen Frauen nichts fehlt. Eine aktuelle Forschung von den Sozialwissenschaftlerinnen Claudia Rahnfeld und Annkathrin Heuschkel von der Dualen Hochschule Gera-Eisenach ergab, dass bewusst kinderfreie Frauen nicht weniger glücklich seien als Frauen mit Kindern. 95 % der gewollt kinderlosen Frauen in der Umfrage sind sich ihrer Entscheidung sicher und bereuen diese auch nicht.
Die Sozialwissenschaftlerinnen merken an: Politische Maßnahmen, um Frauen zum Kinderkriegen zu animieren, wie häufig von Regierungen gefordert, wären in diesem Fall sinnlos. Und gerade das scheint die konservative Politik und Kirche zu frustrieren. Bleibt die Geburtenrate bei dem aktuellen Stand oder sinkt sogar noch stärker, wird die Bevölkerungszahl in Deutschland und Österreich zurückgehen, was Probleme für aktuelle wirtschaftliche und politische Systeme wie das Pensionssystem bedeuten könnte.
Aber das soll nicht das Problem von Frauen ohne Kinderwunsch sein, die dann ein Leben leben müssten, das sie nicht möchten. Es ist das Recht dieser Entscheidung, für das Feminist:innen so lange gekämpft haben und noch heute kämpfen. Es braucht Systeme, die nicht auf dem Rücken von selbstbestimmten Frauen ausgetragen werden. Und genau dem sind sich viele kinderfreie Frauen bewusst.
Wie Taylor Swift so schön singt: “There goes the maddest woman this town has ever seen, she had a marvelous time ruining everything.”
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