Buchtipps

LGBTQ-Bücher: Die besten Neuerscheinungen und unsere Empfehlungen

Ob queerer Krimi oder trans Beziehungsgeschichte: Diese LGBTQIA+ Bücher packen wir diesen Sommer in unser Reisegepäck
LGBTQIA Bücher
AMAZON, Getty Images; Collage: Condé Nast Germany

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Diese LGBTQ+ Bücher nehmen wir mit ins Freibad.

Badetuch – check, Sonnenbrille – check, Buch für den Badestrand… ähem. Ihr habt noch keine passende Strand-Lektüre? Cool down, wir haben ein paar Buchtipps. Es muss nicht immer eine federleichte Hetero-Romanze oder ein skandinavischer Krimi mit einem mürrischen Kommissar sein. Wie wäre es stattdessen mal mit einer femininen, schwulen Detektiv-Diva, gegen die Beyoncé wie die nette Nachbarin von nebenan wirkt? Oder einer trans Lovestory, die mal eben unsere gängigen Ideen von Familie komplett auf den Kopf stellt?

In den vergangenen Jahren wurde die Auswahl an queerer Literatur immer vielseitiger. LGBTQIA+ Bücher rücken queere Protagonist:innen in den Mittelpunkt und erzählen diverse Geschichten. Das ist nicht nur für die LGBTQIA+ Community spannend, die sich in vielen der Hauptfiguren wiedererkennt, sondern auch für die Mainstream-Gesellschaft. Denn LGBTQ-Bücher bringen die queere Welt mitsamt ihrer verschiedenen Sichtweisen einem breiten Publikum näher. Sie vermitteln Wissen und eröffnen neue Blickwinkel.

Der ein oder andere Roman bietet heißen Stoff für eine packende neue Serie oder einen künftigen Blockbuster. Schließlich ist Liebe immer noch ein sehr universales Thema.

Es gibt viele spannende Storys zu entdecken. Ob queerer Krimi aus Tel Aviv, trans Beziehungsgeschichte aus New York oder lesbische Lovestory aus Nigeria – diese LGBTQIA+ Bücher stehen ganz oben auf unserer Leseliste.

LGBTQIA+ Neuerscheinungen:

Die besten aktuellen Romane, die jede:r kennen sollte – aus dem Leben der Community, aber für alle!

“Little Rot” von Akwaeke Emezi

Die dunkle Seite der Elite einer nigerianischen Stadt kommt zum Vorschein, wenn eine Sexparty schiefläuft. Ein Thriller über Sex, Power und Korruption.

Aima und Kalu waren Jahre zusammen, doch Aima hat keine Lust mehr, “in Sünde” zu leben, und Kalu ist noch nicht bereit für eine Heirat: Sie trennen sich – und er fährt Aima zum Flughafen. Kalu leidet sehr unter der Trennung – weiß allerdings nicht, dass Aima es nie ins Flugzeug geschafft hat. Er nimmt die Einladung zu einer Sexparty von seinem besten Freund Ahmed an. Dieser veranstaltet Sexpartys, die sehr exklusiv sind und eigentlich nur für die reiche Elite aus Nigeria gedacht ist. Bei solchen Partys muss alles diskret sein – und selbst bei illegalen Aktivitäten werden zwei Augen zugedrückt. Kalu trifft hier eine Entscheidung, die alles in Chaos stürzt und sein Leben wie das von vielen anderen in Gefahr bringt.

Auf der anderen Seite stehen Ola und Souraya, zwei nigerianische Sexarbeiterinnen aus Kuala Lumpur, die in die korrupte Unterwelt der Stadt hineingezogen werden. Hier treffen Korruption, Macht, Sex und Geld aufeinander – und zeigt, dass wenn man von all dem genug hat, eigentlich alles möglich ist.

“Little Rot” erzählt von Entscheidungen, die weitreichende Konsequenzen haben; von Macht und wie sie genutzt werden kann, um sich selbst zu retten – komme, was wolle. Der Roman ist brutal, schmerzhaft und kommt mit einigen Trigger-Warnungen, über die man sich wirklich Gedanken machen muss, ob man das aushalten kann. Doch inmitten von Chaos und Schmerz gibt es auch schöne Momente, die einen mitreißen – und zum Schluss legt man das Buch weg und es geht einem nicht aus dem Kopf. Der:die nicht-binäre Autor:in Akwaeke Emezi ist bekannt für deren Schwarze, queere Bücher, die direkt unter die Haut gehen.

“Little Rot” von Akwaeke Emezi

“Little Rot” von Akwaeke Emezi erscheint am: 4. Juli 2024

“Mongrel” von Hanako Footman

Drei ineinander verschlungene Geschichten erzählen von Sehnsucht, Liebe, Hoffnung und Weiblichkeit in einer Welt, die von Isolation geprägt ist.

Der Roman erzählt von drei Frauen, deren Geschichten unterschiedlich sind – und doch sind sie miteinander auf eine ganz besondere und überraschende Art und Weise verwoben.

Es geht um Mei, die ihre japanische Mutter mit sechs Jahren verliert und dann in einem kleinen Vorort in England aufwächst. Sie sehnt sich danach, irgendwo dazuzupassen, doch zwischen der Heimat ihrer Mutter, ihrer jetzigen Heimat und ihrer unterdrückten Liebe zu ihrer besten Freundin Fran ist sie immer am Kämpfen.

Yuki wächst auf dem Land in Japan auf und verlässt ihre Heimat, um professionelle Geigerin in London zu werden. In einem fremdem Land ist sie einsam und verfällt immer mehr dem Charme ihres älteren Mentors.

Haruka trauert um ihre Mutter, die viele Geheimnisse vor ihr verborgen hat – doch mit ihrem Tod kommen immer mehr Wahrheiten ans Licht. Gleichzeitig versucht sie sich als Hostess im Nachtleben von Tokio zurechtzufinden, während sie ihr Geld in zwielichtigen Bars verdient.

“Mongrel” ist der Debüt-Roman von Autorin Hanako Footman, der sich vor allem durch lyrische Prosa und komplexe Charaktere auszeichnet. Es geht um weibliche Einsamkeit, um die Suche nach einer Connection und Sehnsucht nach Verständnis.

“Mongrel” von Hanako Footman
“The Lesbiana’s Guide to Catholic School” von Sonora Reyes

Latina Yamilet ist 16, queer und verliebt sich an der katholischen Schule – witziges und cooles Coming-of-Age-Debüt.

Yamilet Flores wohnt in Phoenix und ist eines der wenigen nicht weißen Mädchen an ihrer All-Girls-Highschool. Zwischen Latino-Heritage, Suche nach der eigenen Identität und jugendlicher Neugierde versucht sie auch mit ihrer sexuellen Orientierung klarzukommen und vor allem an der katholischen Schule nicht aufzufliegen: Yamilet ist lesbisch – und will auf keinen Fall, dass ihre Mitschülerinnen und ihre streng religiöse Mutter das mitbekommen. Aber dann lernt sie Bo kennen, und Bo ist alles, was Yamilet gerne wäre: geoutet und verdammt stolz darauf. Kein Wunder, dass Bo Yamilets Leben einmal auf den Kopf stellt und ordentlich durchwirbelt – und sich die junge Latina nach einem wilden Gefühlschaos schließlich selber findet.

In “The Lesbiana's Guide to Catholic School” geht es um Religion und Selbstakzeptanz, um Queerness in einem streng gläubigen Umfeld und dem Glück, das eine Wahlfamilie aus Verbündeten und Freund:innen auslösen kann. Sonora Reyes Coming-of-Age-Roman enthält autobiografische Details: Die Autorin ging auf eine katholische Schule und struggelte mit ihrem Coming-out während ihrer Jugend.

"The Lesbiana's Guide to Catholic School" von Sonora Reyes
“Landgeschichten” von Armistead Maupin

Mona und Michael aus den “Stadtgeschichten” sind zurück – und statt San Francisco stellen sie diesmal das englische Landleben auf den Kopf.

Die “Stadtgeschichten”-Reihe von Armistead Maupin ist ein Klassiker. In den Büchern begleitet man die naive Mary Ann, die in den 1970er-Jahren nach San Francisco zieht und von Anna Madrigal unter deren Fittiche genommen wird. In einem WG-Haus lernt sie liebeswerte Figuren kennen – wie den schwulen Michael, den Weiberheld Brian oder die bisexuelle Mona.

Gemeinsam mit Anna Madrigal erleben die Mieter:innen ziemlich viel: Zwangloser Sex, Liebeskummer und ein wildes Wochenende beim Festival Burning Man beschäftigen sie ebenso wie das Schicksal vieler Menschen (und Freund:innen) während der Aids-Epidemie in den 1980er-Jahren.

In den “Landgeschichten” begleiten die Leser:innen nun Mona Ramsay in den Neunzigern nach England, wo sie inzwischen als Witwe mit einem Adoptivsohn in einem Landhaus wohnt. Um das zu finanzieren, öffnet Mona die Pforten für Besucher:innen, und so stolpern Rhonda und Ernie Blaylock in Monas Haus – und mit ihnen ein Geheimnis. Während also ihr BFF Michael und die frühere Vermieterin Anna Madrigal zu Besuch kommen, müssen Mona und ihr Adoptivsohn Wilfred ein großes Unglück verhindern, das mit der Ankunft der Blaylocks zusammenhängt. Und das alles rund um Mittsommer, wenn das Anwesen traditionsgemäß im Zentrum des lokalen Interesses steht!

“Landgeschichten” beweist einmal mehr, was für ein famoser und außerordentlich guter Geschichtenerzähler Armistead Maupin ist.

"Landgeschichten" von Armistead Maupin

Klassiker und moderne Literatur der LGBTQIA+ Community

Diese Romane haben Geschichte geschrieben und die LGBTQIA+ Community empowert.

“Die Gesetzlose” von Anna North

Queerfeministischer Western mit ultra-empowerter Protagonistin und echter Girl-Gang.

Western, aber anders: In den 1830er-Jahren hat eine Grippewelle die USA dahingerafft. Frauen sind großteils unfruchtbar, die Erhaltung der Bevölkerung ist im Jahr der Erzählung, 1894, oberstes Gebot. Aber anders als in anderen (dystopischen) Romanen wird hier vor und in Saloons geschossen, reitet man auf einem Pferd durch den wirklich Wilden Westen und bestreitet sein Leben als Cowboy.

Frauen sollen heiraten, Kinder bekommen und ihrer weiblichen Pflicht nachkommen. Gut und schön, aber die 17-jährige Ada wird einfach nicht schwanger. Wie im Mittelalter (oder vielleicht auch Wilden Westen üblich) wird sie verdächtig, eine Aufrührerin, ja sogar Hexe, zu sein. Ada wird verstoßen, muss ihre Familie und Heimat verlassen und findet eine neue, bessere inmitten der legendären “Hole in the Wall”-Gang. Dort sammeln sich die vermeintlich Gesetzlosen, die, die sich anpassen wollen. Gar nicht so verwunderlich, sind es vor allem Frauen, die sich nicht vom Patriarchat und gesellschaftlichen Normen unterdrücken lassen. Hier halten alle zusammen, gehen gemeinsam durch dick und dünn und halten vor allem auch dann zusammen, wenn sie die ganze koservative Meute des Wilden Westens und des Patriarchats gegen sich haben. Dieser Roman ist ein wirklich wilder Ritt und eine großartige Parabel für Zusammenhalt unter Frauen*.

"Die Gesetzlose" von Anna North
“Detransition, Baby” von Torrey Peters

Eine Wucht von einem Roman, der zum Nachdenken über die eigenen Auffassungen von Gender anregt.

Die beiden trans Frauen Reese und Amy führen eine mehr oder weniger glückliche, sehr häusliche lesbische Liebesbeziehung und träumen von einer gemeinsamen Familie. Doch als Amy sich dazu entscheidet, wieder als Mann zu leben, zerbricht die Liebe. Drei Jahre später nähern sich die beiden in einer unkonventionellen Konstellation wieder an: Reese soll zusammen mit Ames, wie ihre detransionierte Ex nun heißt, und dessen neuer Freundin (und Chefin) Katrin, einer Cis-Frau mit chinesischen und jüdischen Wurzeln, ein Kind großziehen. So zumindest der Plan.

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Im Mittelpunkt von Torrey Peters erstem Roman “Detransition, Baby” (2022) steht das Gefühlschaos von trans Frau Reese. Anhand ihrer Hauptfigur schildert die US-Autorin nicht weniger als eine Geschichte weiblicher trans Kultur im 21. Jahrhundert. Sie verdeutlicht, was es heißt, heute als trans Frau zu leben, streift ernste Themen wie verinnerlichte Schönheitsideale, soziale Benachteiligung, Missbrauch und Fetischisierung.

“Detransition, Baby” von Torrey Peters

Doch die Schriftstellerin blickt auch hinter die trans Identität ihrer queeren Protagonistin. Reese ist eben nicht nur eine trans Frau, sondern eine rastlose Mittdreißigerin ohne Karriereplan, die sich in New York City durchschlägt. Das kommt uns doch bekannt vor? Genau. Auch Carrie Bradshaw und ihre drei Freundinnen kämpfen sich in der Kultserie “Sex And The City” durch einen turbulenten Alltag, nur dass sie eben (weiße) Cis-Frauen sind.

Mit Blick auf die vier fiktiven Serienheldinnen benennt Reese ein allgemeines Dilemma, das alle Frauen betrifft, wenn sie älter werden. Das “‘Sex and the City’-Problem”, wie die Autorin es in ihrem Roman nennt. Nach dieser Theorie haben Frauen (sämtliche feministischen Errungenschaften blenden wir mal kurz aus) vier Möglichkeiten, die den Handlungsbögen der vier Serien-Protagonistinnen entsprechen: “Einen Partner suchen und eine Charlotte sein. Karriere machen und eine Samantha sein. Ein Baby bekommen und eine Miranda sein. Oder sich durch Kunst oder durchs Schreiben verwirklichen und eine Carrie sein."

Diese krasse Pauschalisierung stellt Torrey Peters dann auf über 400 Seiten radikal infrage. Sie stellt traditionelle Geschlechterrollen bloß und hinterfragt heteronormative Familien-Modelle, die letztendlich nicht nur queere, sondern auch heterosexuelle Cis-Frauen und -Männer einschränken. Themen wie Muttersein und Kinderlosigkeit, aber auch die “Gentrifizierung von Queerness” werden gestreift.

Humorvoll und in lockerem Ton, rappelvoll mit popkulturellen Referenzen von RuPaul bis Lena Dunham, regt der Roman zum Nachdenken über die eigenen Auffassungen von Gender und Identität an. Das lässt garantiert niemanden kalt, weder trans Menschen noch heterosexuelle Cis-Frauen oder queere Männer.

“Maurice” von E.M. Forster

Posthum veröffentlichter Roman von 1914 über unerwiderte Liebe und Identitätsfindung.

In “Maurice” geht es um den titelgebenden Charakter Maurice und das Finden seiner Sexualität und den Umgang zu einer Zeit, in der er dafür verhaftet werden würde. Zu Beginn ist er sich seiner Homosexualität noch nicht bewusst, weiß aber bereits, dass er “anders” ist als die anderen. Als er an der Universität Cambridge Clive kennenlernt, ist er schockiert, als er die Wahrheit über sich erfährt. Die beiden nähern sich an, doch die Situation ist gefährlich. Die jungen Männer müssen eine gewisse Erwahrtungshaltung erfüllen: Sie müssen heiraten, einen wichtigen Job innehaben und eine nächste Generation aufwachsen sehen.

Maurice ist voller Scham, da er weiß, dass er die Erwartungen der Gesellschaft nie erfüllen wird. Er hält seine Sexualität zwar geheim, doch tief in seinem Inneren weiß er, dass er anders ist und es immer sein wird. Zumindest hat er einen Konfidenten in Clive. Doch alles ändert sich, als Clive plötzlich beginnt, sich zu verschließen und den Part von ihm zu leugnen. Maurice erleidet solche Qualen, dass er nicht mehr weiß, was er mit sich anfangen soll. Doch E.M. Forster ist revolutionär: Denn diese traurige Geschichte hat ein Happy End.

Autor E.M. Forster wusste, dass sein Roman über homosexuelle Liebe seine Schriftsteller-Karriere beenden würde. Deswegen verschwand der Roman nach seiner Fertigstellung 1914 in seiner Hintertasche. Nach dessen Tod wurde der Roman dann 1971 veröffentlicht und gilt als einer der wichtigsten queeren Romane aller Zeiten. Die Auswirkungen soll Forster nicht mehr mitbekommen, doch seine Widmung ist hoffnungsvoll: “Einem glücklicheren Jahr gewidmet”.

“Maurice” von E.M.Forster
“Auf Erden sind wir kurz grandios” von Ocean Vuong

Der bewegende Brief eines schwulen Sohns an seine vietnamesische Mutter, die ihn nie lesen wird.

Der Roman “Auf Erden sind wir kurz grandios” ist in Form eines Briefes geschrieben, von einem Sohn an seine Mutter, die nicht lesen kann. “Lass mich von vorn anfangen. Ma …”, steht auf den ersten Seiten dieses bewegenden, einseitigen Briefverlaufs. Der Erzähler ist Little Dog, ein Spitzname, den ihm seine Großmutter gab, weil “etwas zu lieben bedeutet, es nach etwas zu benennen, das so wertlos ist, dass man es unberührt – und lebendig – lassen könnte”.

Seine Ma musste mit fünf Jahren bereits ihre Schule verlassen, sie kann kaum Englisch, und lesen und schreiben sowieso nicht. Ihr Sohn, Little Dog, erzählt von seiner Mutter und seiner Großmutter, von ihren Geschichten und wie seine eigene damit verworren ist. Seine eigene Geschichte erzählt von Homosexualität im Kontext seiner asian-american Familie und Immigrationsgeschichte.

Oceon Vuong schreibt in diesem unglaublichen Debüt-Roman poetisch und schmerzerfüllt, über eine gebrochene Familie, über Liebe und Migrationsgeschichte sowie einem vergessenen Krieg. Das Buch nimmt einen auseinander und baut einen dann wieder zusammen – doch man ist nie wieder so, wie man einmal war.

“Auf Erden sind wir kurz grandios” von Ocean Vuong

Persönliche Empfehlungen von LGBTQIA-Büchern:

Abgesehen von den tollen Neuerscheinungen und (modernen) Klassikern sind das unsere persönlichen Lieblings-Bücher im queeren Kosmos.

“Loveless” von Alice Oseman

Ein Coming-of-Age-Roman der etwas anderen Art mit einer asexuellen Hauptperson, die zu sich selbst findet.

Georgia ist 18, war noch nie verliebt und hat noch nie jemanden geküsst. Sie liebt es jedoch, Fanfiction zu lesen, und bezeichnet sich selbst als hoffnungslose Romantikerin. Irgendwann wird die große Liebe also noch kommen, oder? Sie beginnt ihr erstes Jahr an der Uni mit ihren besten Freund:innen Pip und Jason sowie ihrer neuen Mitbewohnerin Roomey und einem Platz in der Shakespeare Society, einer Theatergruppe, die nur Stücke von Shakespeare umsetzt.

Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt für eine Romanze! Doch ihre Versuche einer Romanze enden im Chaos, ihre Freund:innen sind zerstreut und Georgia sieht sich mit einem großen neuen Begriff konfrontiert: Asexualität. Ist das etwas, mit dem sie sich identifizieren kann und will? Wo sieht sie dann ihre Zukunft? Wird sie für immer ohne Liebe (loveless) bleiben?

Alice Oseman (Autor:in der “Heartstopper” Comics und Produzentin der gleichnamigen Netflix-Serie) zeigt eine ganz besondere Seite von sich in diesem Roman. Oseman ist selbst asexuell und verarbeitet ihre Reise und ihre Gefühle mit Georgia. Deswegen liest sich der Roman so authentisch und emotional – es geht um Liebe in all ihren Formen. Dabei ist klar, dass keine Art der Liebe weniger wert ist als andere – doch manchmal brauchen wir eine kleine Erinnerung daran.

“Loveless” von Alice Oseman
“Der letzte Schrei” von Yonatan Sagiv

Ein spannender queerer Krimi, der mit den klassischen Codes des Genres spielt.

Imposanter Body. Blaue Augen. Und eine raue, tiefe Stimme. Privatdetektiv Oded Chefer, der auf einer schillernden Party einen wichtigen Klienten treffen soll, hat gerade andere Dinge als seinen neuen potenziellen Fall im Kopf. Er findet den Sicherheitsmann ziemlich hot. Und flirtet gleich drauflos. Schon auf den ersten Seiten von Yonatan Sagivs Kriminalroman “Der letzte Schrei” (2022) wird klar: Dieser Krimi ist anders. Die Story wird aus einer queeren Perspektive erzählt und revolutioniert damit das Genre.

“Israels erste Detektivschwester”, wie der 36-jährige Ermittler von seinem neuen zwielichtigen Auftraggeber betitelt wird, ist chaotisch, schwatzhaft, impulsiv und voreingenommen. Nicht gerade die besten Eigenschaften für einen Privatermittler. Der scharfzüngige Schnüffler, von seinen Freunden liebevoll “Wühlmäuschen” genannt, soll einen mysteriösen Fall aufklären, der in Israels wohlhabender Elite spielt. Ausgangspunkt sind die Launen eines aufstrebenden Popsternchens, Tochter einer einst berühmten Sängerin und eines Investmentbankers. Von hier aus führt uns die Erzählung in einen düsteren Sog aus Mord, Menschenhandel und illegaler Einwanderung.

Es ist eine Menge, die Yonatan Sagiv uns zumutet. Neben dem packenden Krimi-Plots greift der 42-jährige Autor und Wissenschaftler für moderne hebräische Literatur einige brisante Themen auf. So stellt er Transphobie innerhalb der LGBTQIA+ Community bloß, entlarvt Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, thematisiert den israelisch-palästinensischen Konflikt und bricht mit Klischees über die Glitzermetropole Tel Aviv. Er zeigt die Stadt, in der er selbst aufgewachsen ist, jenseits von eleganter Bauhaus-Architektur, fröhlichen Pride-Partys, coolen Cafés und schicken Shops und hält damit der zeitgenössischen israelischen Kultur einen Spiegel vor.

Immer wieder nimmt der Autor Bezug auf Ermittler aus anderen Krimi-Reihen und spielt mit klassischen Krimi-Codes. Das Besondere an “Der letzte Schrei” ist weniger die Handlung mit ihren doch recht klassisch besetzen Opferrollen, sondern die queere Sicht, aus der die Kriminalgeschichte erzählt wird. Der schwule, feminine Detektiv, der weibliche Pronomen für sich benutzt, hinterfragt konventionelle Gender-Normen. “Mann und Frau sind gesellschaftliche Rollen, die uns beigebracht werden”, stellt er klar.

Der durch und durch zynische Erzähler sorgt mit seinen sarkastischen Spitzen für einige Lacher. Wir lernen aber auch die verletzliche Seite des Protagonisten kennen, der von Selbstzweifeln geplagt wird, hin- und hergerissen zwischen Karriere, Familie und dem Traum der großen Liebe. Dank seines bissigen Erzählstils, verpackt in eine leichte Sprache, ist der zeitgemäße Krimi die perfekte Strandlektüre.

“Der letzte Schrei” von Yonatan Sagiv
“Große Gefallen” von Lillian Fishman

Eine kluge, zeitgemäße Erzählung über Polyamorie und Sexualität mit einer starken weiblichen Hauptfigur.

Sex ist hier allgegenwärtig. Von Manhattan bis Brooklyn, die Protagonist:innen in Lillian Fishmans “Große Gefallen” (2022) lieben sich einmal quer durch ganz New York City. Dabei loten sie Scham- und Machtgefühle aus und erkunden die Bedeutung des eigenen Lustempfindens. Es geht um Sexualität und Körperlichkeit. Wer jetzt an “50 Shades of Grey” denkt, liegt aber falsch. Die queere US-Autorin dehnt in ihrem Debütroman in einer unverblümten, expliziten Sprache das Verständnis von sexueller Orientierung, es geht um Selbstermächtigung und weibliche Emanzipation.

Die Protagonistin, Eve Cook, identifiziert sich als lesbisch und versteht sich als moderne Feministin. Schnell wird man als Leser:in mitten in die Gefühlswelt der neurotischen 28-Jährigen hineingezogen, deren Leben nach eigenem Bekunden “um Sex, entgegen aller Vernunft” kreist. “Ich war dazu bestimmt, Sex zu haben, vermutlich mit einer wahllosen Anzahl von Menschen”, sagt sie. Eve sehnt sich nach einem unverbindlichen Abenteuer, nach Abwechslung. Und so beginnt sie eine Affäre mit einem heterosexuellen Paar.

Obwohl Eve zunächst an der Künstlerin Olivia Weil interessiert ist, fühlt sie sich zunehmend zu deren Freund Nathan hingezogen. “Wenn wir allein waren, schien ich mich selbst, die Welt der Frauen und die Landschaft meines Lebens zu vergessen”, schwärmt sie. Und so finden sich die drei in einer polyamourösen Dreiecksbeziehung wieder.

Die vielen Sexszenen und das komplizierte Beziehungsgeflecht zwischen der masochistisch veranlagten Olivia und ihrem Liebhaber und Chef, dem Vermögensverwalter Nathan Gallagher, erinnern durchaus an die Romanze zwischen Studentin Anastasia Steele (Dakota Johnson) und Milliardär Christian Grey (Jamie Dornan) in “50 Shades of Grey”. Doch “Große Gefallen” ist viel mehr als erotische Unterhaltungsliteratur. Unentwegt reflektiert Eve, aus deren Sicht die Story erzählt wird, ihre eigene Sexualität. Was bedeutet es, queer zu sein? Wo hört lesbische Liebe auf, wo beginnt Bisexualität? Und spielt das überhaupt eine Rolle?

Doch es geht nicht nur um queere Vorstellungen von Sex, sondern auch um heterosexuelle Verhaltensmuster und weibliche Lust im Allgemeinen. Die drei Lover testen ihre emotionalen, moralischen und sexuellen Grenzen aus, bewegen sich an der Grenze zwischen Vergnügen und seelischem Schmerz. Eifersucht und sadomasochistische Lust spielen eine Rolle. Ähnlich wie in Sally Rooneys Romanen (“Normal People”) bewegen sich die Figuren auf einem sehr privilegierten Parkett, das ist mitunter etwas einseitig. Dennoch ist “Große Gefallen” ein kluges Lesevergnügen.

Im letzten Teil werden Eves persönliche Einsichten in einem anderen Licht gezeigt, plötzlich findet sie sich nämlich mitten in einem MeeToo-Prozess wieder. Ein Seitenwechsel, der den gefährlichen Grat zwischen Begehren und Beherrschen unterstreicht und die Leser:innen bis zum Schluss bei Laune hält. Ach, und einen Lifehack, wie man Karotten richtig schält, gibt’s auch noch gleich dazu!

“Große Gefallen” von Lillian Fishman
“Unter den Udala Bäumen” von Chinelo Okparanta

Sicherlich keine leichte Sommer-Lektüre, aber eine einfühlsam erzählte Coming-out-Story aus Nigeria.

Zugegeben, eine unbeschwerte Sommer-Lektüre ist das LGBTQ-Buch “Unter den Udala Bäumen” (2018) von Chinelo Okparanta nicht. Aber ein eindringlicher Roman, der Aufmerksamkeit verdient. Die elfjährige Ijeoma lebt mit ihren Eltern in Ojoto, als sich die Region Biafra im Südosten Nigerias 1967 für unabhängig erklärt und Krieg ausbricht. Bei einem Bombenangriff kommt der Vater des Mädchens ums Leben, woraufhin ihre Mutter sie zu einem befreundeten Paar schickt, um als Haushaltshilfe zu arbeiten. Hier lernt Ijeoma, eine christliche Igbo, ihre erste große Liebe kennen. Doch die gleichaltrige Kriegswaise Amina ist eine muslimische Haussa, gehört also einer verfeindeten Ethnie an. Und: Offen ausgelebte Homosexualität ist in Nigeria lebensgefährlich.

Einfühlsam und eindrücklich schildert Chinelo Okparanta in ihrem Debütroman die zarte, gesellschaftlich tabuisierte Liebe der beiden jungen Frauen. In bildhafter Sprache erzählt die Autorin, die seit Jahren in den USA lebt, die tragische Coming-out-Story. Ein Teenager zu sein ist schon schwierig genug. Aber seine Sexualität inmitten eines Krieges und eines zutiefst homophoben, repressiven Umfelds zu entdecken, muss eine Qual sein.

Als der Krieg 1970 endet, kehrt Ijeoma nicht ganz unfreiwillig zu ihrer Mutter zurück. Die streng religiöse Adaora, die glaubt, ihre Tochter sei von einem Dämon besessen, versucht, sie durch Bibel-Lektionen auf den ihrer Meinung nach “richtigen” Weg zu bringen. Doch die smarte Ijeoma interpretiert die Passagen anders: “Was wäre, wenn Adam und Eva lediglich Symbole einer Partnerschaft wären?”, fragt sie sich. Im Laden, den ihre Mutter betreibt, lernt sie Ndidi, eine junge Lehrerin, kennen, die sie in die kleine lokale, natürlich versteckte LGBTQIA+ Community einführt. Ironischerweise dient eine Kirche als heimlicher Treffpunkt.

“Unter den Udala Bäumen” zeigt die Persönlichkeitskonflikte einer heranwachsenden Frau, die mit einer lesbischen Identität in einer restriktiven Gesellschaft einhergehen. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive seiner jungen Protagonistin. Dadurch werden ihre Angst, entdeckt zu werden, und der enorme gesellschaftliche Druck, der auf ihr lastet, schmerzhaft spürbar.

Der LGBTQ-Roman spannt einen Bogen über mehrere Jahrzehnte und macht deutlich, wie schwierig die Situation für queere Menschen in Nigeria auch heute noch ist. Clever deutet die Autorin, deren neues Buch “Harry Sylvester Bird” übrigens am 12. Juli 2022 auf Englisch erscheint, immer wieder Ereignisse in der Zukunft an, greift vor, um die Neugierde der Leser:innen zu wecken. Wie die Geschichte ausgeht, wird natürlich nicht verraten. Aber ein Sommermärchen ist “Unter den Udala Bäumen” leider nicht.

“Unter den Udala Bäumen” von Chinelo Okparanta
“Dinge, an die wir nicht glauben” von Bryan Washington

Eine herzzerreißende zeitgemäße Beziehungsgeschichte, erzählt aus der Sicht zweier Partner.

“Ich kann an zwei Händen abzählen, wie oft wir uns gesagt haben, dass wir uns lieben”, stellt Benson trocken fest. Schnell wird klar: Die vierjährige Beziehung des Schwarzen Kita-Betreuers und Mike, einem Koch mit japanischen Wurzeln, steht auf sehr wackeligen Beinen. Beide wissen nicht so genau, wieso sie überhaupt noch zusammen sind. Ihre hitzigen Streitereien lösen die beiden schwulen Männer statt mit Worten lieber mit Sex – oder fancy japanischen Gerichten wie Lachs-Carpaccio oder Tempura Okayu, liebevoll zubereitet von Mike.

Bryan Washingtons Debütroman “Dinge, an die wir nicht glauben” (2021) ist ein queeres Liebesdrama, das klassische Beziehungskonflikte rund um Treue, Loyalität und Sex aufgreift. Gleichzeitig streift der 28-jährige US-Autor, der sein Buch zurzeit als TV-Serie adaptiert, gesellschaftliche Themen wie häusliche Gewalt, Armut und Alkoholismus. Wie in seiner Kurzgeschichtensammlung “Lot. Geschichten einer Nachbarschaft” geht Bryan Washington zudem Fragen zu Herkunft und Zugehörigkeit nach. Ganz selbstverständlich rückt er dabei Gruppen jenseits der Mainstream-Gesellschaft in den Fokus, ohne dabei ihre Marginalisierung zum Thema zu machen.

Das Besondere an “Dinge, an die wir nicht glauben” ist die Erzählweise. Denn die Geschichte, die zwischen Houston und Osaka hin- und herspringt, wechselt zwischen Bensons und Mikes Schilderungen. So werden dieselben Momente aus unterschiedlichen Blickwinkeln berichtet. Während die beiden entfremdeten Liebhaber oft ratlos voreinanderstehen, haben die Leser:innen ein besseres Verständnis für das jeweilige Verhalten der Figuren.

Zwischen den beiden Protagonisten bleibt vieles unausgesprochen. Die Leere belebt Bryan Washington mit Alltagsbeobachtungen und Anekdoten aus der Vergangenheit. In nüchterner Sprache gibt er Textnachrichten wieder, bildet sogar Fotos im Buch ab. Die stakkatoartige Erzählweise und der raue, sarkastische Ton sind gewöhnungsbedürftig, machen die Charaktere aber umso realer und authentischer.

“Dinge, an die wir nicht glauben” von Bryan Washington

In der Kategorie “GLAMOUR Book Club” stellen wir euch regelmäßig unsere Lieblingsbücher und -autor:innen, Buch-Trends und BookTok-Neuheiten vor.